Die Gemeinde Rondeshagen
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Lehrerfrau Hilde Mohr berichtet über ihre Zeit in Rondshagen

Gustav Mohr war von 1952 bis 1962 Lehrer/Schulleiter an der zweiklassigen Volksschule in Rondeshagen. Seine Frau Hilde verfasste im Jahr 2000 eine Schrift "Aus meinem Leben", in der einige Abschnitte sich mit ihrer Zeit als Lehrersfrau in Rondeshagen zwischen 1952-1962 befassen. Nach dem Tode ihres Mannes 1989 zog sie zu ihrer Tochter nach Wilster.

 
Hilde und Gustav Mohr 1935 (Hochzeit)

Hier einige Ausschnitte aus ihrer Schrift :

"Bis 1952 lebten wir in Klempau und hatten dort eine einigermaßen gute Zeit. Dann wurde zum neuen Schuljahr in Rondeshagen, einem Nachbardorf auf der anderen Seite des Lübeck-Kanals, eine Schulleiterstelle frei. Da hat Vati [Gustav Mohr] sich beworben, und die Bewerbung hatte Erfolg. Die Klempauer waren alle sehr traurig, daß wir sie nun nach vier Jahren verließen. Aber die Bedingungen in Rondeshagen waren in jeder Beziehung besser. Die Wohnung war viel größer und schöner, die Schulräume waren hell und freundlich , und zum Haus gehörte ein großer Garten. Bevor wir umzogen, ließ die Gemeinde das ganze Schulhaus vom Maler renovieren. Das bedeutete, daß wir oft nach Rondeshagen fahren mußten, um dort sauber zu machen. Als ich eines Tages die 1 3/4 Jahre alte Antje auf dem Fahrrad mitgenommen hatte, rannte sie durch die Wohnung. Die Türen standen alle offen und man konnte im Kreis durch alle Zimmer laufen. Antje rief:„Eine Tube, noch eine Tube!"Sie meinte natürlich „Stube". "

 
 
 
Familie Mohr 1943 mit den 3 Söhnen
 

"Vati wurde Hauptlehrer, die 2.Stelle war mit der Lehrerin Frau Voß besetzt. Für uns fing in Rondeshagen ein neues Leben an. Vati genoß sein Schulleiterdasein, ich meine eigene Wohnung mit Garten. Vor allen Dingen aber war ich glücklich, nach sieben Jahren Flüchtlingsleben und schlechten Wohnbedingungen einen eigenen Herd, eine eigene Küche zu haben! Ich habe sieben Jahre mit anderen Leuten den Herd oder die Küche teilen müssen. Das war manchmal unerfreulich gewesen."

"Als Kollegin an der Schule hatten wir Frau Voß. Die hatte auch vier Kinder im gleichem Alter wie unsere. Sie gingen allerdings nach Ratzeburg zur Oberschule, während unsere ja nach Lübeck fuhren. Trotzdem harmonisierte das sehr gut zwischen den Kindern. Sie halfen sich gegenseitig bei den Schularbeiten und bei anderen Dingen.

Im Garten hatten wir natürlich bald auch wieder ein Bienenhaus mit bis zu 30 Völkern. Das gab immer sehr viel Arbeit. Da mußte ich auch ein bißchen mithelfen. Wenn Vati die Bienenvölker durchsah, mußte ich immer dabei sein. In jedem Kasten lag ein kleines Oktavheft, in das ich schreiben mußte, wie das Volk entwickelt war, wieviel Brut es hatte und so weiter. Die ganze Imkerei hing natürlich viel vom Wetter ab. Einmal, so erinnere ich mich, haben wir 1680 Pfund Honig geerntet. Das war ein ganz tolles Ergebnis. Unseren Honig haben wir durch ganz Deutschland verschickt, in Eimern und in Dosen.

 
 
 
Garten der Schule 2006
 

Das Geld bekam ich dann meistens per Postanweisung überwiesen. Naja, dann wurde im Herbst überlegt, was man mit dem verdienten Geld machte, wer von den Kindern was nötig hatte zum Anziehen, welche Ausgaben noch auf einen zukamen.

Wir durften uns jeden Abend von einem Bauern frische Milch holen. Das mußten die drei Jungs immer abwechselnd, das gehörte zu ihren Aufgaben. Eines Tages hatte Hans ein Malheur. Wie immer war er mit dem Fahrrad im Dunklen ohne Beleuchtung und bei Schneeglätte unterwegs. Dabei übersah er einen Fußgänger, der stürzte, Zu allem Unglück war es auch noch der Bürgermeister, der dann mit seiner blutenden Nase bei uns in der Wohnung erschien und böse war. Hans ist dann später mit einer guten Zigarre zum Bürgermeister gegangen und hat sich entschuldigt.

Gegen Abend und noch vor dem Dunkelwerden hieß es dann, für die Feuerung des ganzen Hauses für den nächsten Tag zu sorgen. Die Brennstoffe lagerten im Stall und mußten in Kiepen und Schütten ins Haus geholt und den einzelnen Öfen zugeteilt werden. Wir hatten allein in der Wohnung drei Öfen. In den Klassenräumen stand je ein großer Kachelofen. Jeder Ofen benötigte seine Portion an Anmachholz, Klobenholz, Briketts oder Koks. Wer „Ofendienst" hatte, bekam 2 DM pro Woche. Zu meinen Pflichten gehörte das Heizen der Klassenräume. Abends mußten die Öfen gereinigt und so vorbereitet werden, daß ich am Morgen nur das Streichholz anhalten mußte. An kalten Tagen begann das Heizen schon um 5 Uhr, damit der Raum um 8 Uhr einigermaßen warm war.

Die Jungs mußten überhaupt viele in Haus und Garten helfen. Ich nenne nur: Tisch decken, Tisch abräumen, Abtrocknen, Jäten, Harken, Graben, Fegen. Und nicht zu vergessen: das Schuheputzen. Dabei mußte Claus Vatis, Hans meine und Joachim Antjes [Tochter *1951] Schuhe mitputzen. Das verlief alles nach Plan, und ich mußte mich darum nicht kümmern, In den Osterferien wurde gemeinsam großer Hausputz „nach alter Sitte" gemacht. Vati war meistens um die Osterzeit zu einer Tagung, da paßte es gut. In den Sommerferien kam die Zeit des Beerenpflückens. Johannisbeeren, Stachelbeeren und Himbeeren mußten gepflückt und verarbeitet werden. Ich konnte das nicht allein. Die Jungs mußten mir helfen.

Zur gleichen Zeit wurden auf den Koppeln der Bauern Erbsen und Bohnen geerntet. Da wollten die Jungs natürlich hin, weil es gut bezahlt wurde. Das durften sie auch, aber erst, wenn meine Beeren geentet waren. Von dem Pflückergeld durfter sie sich eigene Wünsche erfüllen.

1958 zog eine Familie Voß nach Rondeshagen und kaufte sich ein Haus mit großem Garten schräg gegenüber der Schule. Auf ihrem Grundstück errichteten sie eine Hühnerfarm. Da die Kinder hier in die Schule gingen und die Tochter im Alter von unserer Antje war, freundeten wir uns ein bißchen an und halfen uns gegenseitig bei verschiedenen Gelegenheiten. Ich konnte gut nähen, Frau Voß hatte eine Strickmaschine. Da haben wir uns immer ausgetauscht. Sie strickte immer was für mich und Antje, ich nähte für sie. Vossens hatten auch bald ein Auto und nahmen bei schlechtem Wetter unsere Kinder morgens mit nach Berkenthin (zum Bus noch Lübeck), Als wir noch kein Auto hatten, sind wir auch zusammen zum Einkaufen nach Lübeck oder nach Ratzeburg gefahren. Auf der Hühnerfarm gab es viel zu tun und zu helfen. Da gab es auch immer ein großes Hühnerschlachten. Da habe ich geholfen.

Später wurden da auch Schweine geschlachtet. Das war dann immer ein großes Fest. Es war ja nicht mit dem Schlachten allein getan, es mußte ja alles zerlegt und verarbeitet werden. Das ging häufig bis in die Nacht hinein. Wenn ich dann um 23 Uhr nach Hause kam mit Fleisch und Wurst, sagte Vati immer: „Hast Du wieder das halbe Schwein mitgebracht?" Frau Voß verkaufte (neben ihren Eiern) dann alles vom Schweineschlachten an ihre Lübecker Kunden, die sie einmal in der Woche besuchte. Das verkaufte sich sehr gut. Deswegen haben wir mitunter sechs Schweine im Winter geschlachtet! Dann habe ich auch noch gelegentlich an der Eiersortiermaschine geholfen und Eier sortiert.

 
Gustav & Hilde Mohr im Jahre 1960

Zu einem weiteren Ehepaar aus unserer Rondeshagener Zeit habe ich noch heute engen Kontakt, dem Gutsinspektor von Groß-Weeden und seiner Frau. Das Ehepaar war viel jünger als ich bzw. wir, als wir sie kennenlernten. Wir haben uns oft gegenseitig besucht und hatten immer hochinteressante Gespräche. Das war immer anregend und schön".