Gewaltätigkeiten auf Gut Rondeshagen 1665

 

Lübecker Handwerker wollen im Jahr 1665 es nicht mehr hinnehmen, dass auf den Gütern rund um Lübeck die Gutshandwerker ihnen billige Konkurrenz außerhalb des Zunftwesens machen. Daher rotten sie sich zusammen und überfallen die Güter - auch Rondeshagen. Sie vernichten deren Betriebe und auch Gebäude mit Gewalt.

Quelle : "Umständliche Geschichte der kaiserl. und des Heil. Römischen Reichs freyen Stadt Lübeck, 3. Band von Johann Rudolph Becker, Lübeck 1805

"Thätlichkeit auf den Landgütern. 1665

Hauptsächlich war den Bürgern das Mülzen und Brauwerk zum feilen Kauf, und die Hegung der Handwerker auf den Landgütern der Patricier ein Dorn im Auge. Insbesondere wurden die Aemter oder handwerker, welche es anfänglich mit dem rath gehalten hatten dadurch aufsässig. Es versammelte sich daher 1665 am dienstage in der stillen Woche, welcher auf den 21. März einfiel, nachdem zuvor das Rathhaus und die Thore besetzet, auch die Stadtthore zugeschlossen worden, eine große Anzahl Menschen auf dem alten Schützenwall vor dem Holsten-Thore. Hierunter waren 68 von den Brauern, 48 von den Schmieden, desgleichen eben so viel von den Beckern, Schustern und Schneidern, von jeglichem Amte 48, zu welchen von den kleinen Aemtern eine solche Anzahl hinzu kam, daß sie zusammen 600 bis 700 Mann ausmachten. Diese vertheilten sich, und zogen mit Flinten, Degen, Aexten, Beilen, Radehaken, Stangen und dergleichen mehr bewaffnet, in Begleitung eines gerichts-, eines Wette- und Stadtdieners, etliche nach Moisling, andere nach Morie, und andern in der Nähe der Stadt belegenen Landgütern. Daselbst verübten sie die größte Gewaltthätigkeit. Sie zerschlugen die Braupfannen, Küsen und Tonnen. Was sie an malz nd Bier vorräthig fanden, verschütteten sie, oder schlepten es mit sich weg. Sie zerbrachen die Weberstühle, nahmen das fertige Lein weg, ließen sich sowohl auf den Höfen, als in den bauerhäusrn, alle Keller, Kisten und Kasten aufschließen, und zernichteten alles was sie an Handwerksgeräthschaft antrafen. Ja, sie verschoneten zum Theil nicht einmal der Häuser und Gebäude.

Kurz nach Ostern den 31. März wiederholten die Brauer und Handwerker diesen Ausfall nach vorhin genannten Gütern und Dörfern zum zweytenmal, und was vorhin noch ganz geblieben war, ward nun völlig in Stücken geschlagen.

Bald darauf den 3. April besuchten sie die Güter Crumesse, Cronsforde, Castorf und Rondeshagen auf eine ähnliche Weise, wo sie in Zerstöhrung der Brauereyen, Zerbrechung der Weberstühle, und handwerksgeräthschaften, und Wegnahme oder zernichtung dessen, was ihrer Meynung nach von Böhnhasen gemacht war, gleichen Unfug verübten. was aus diesem Lerm nachher für Weiterungen entstanden sind, wollen wir in der Folge anzuführen nicht versäumen.
"

 
 
 
Böhnhasenjagd : Produkte der Böhnhasen werden zerstört und verbrannt (Holzschnitt von 1530)
 
 

Anmerkung : Als Bönhase - auch Böhnhase oder Beinhase, (aus dem Niederdeutschen bön für Hausboden), wurde umgangssprachlich bis zum Ende des Zunftzwanges (1804) ein nicht in einer Zunft organisierter und damit illegal tätiger Handwerker bezeichnet. Bönhasen arbeiteten oft im Hause ganz oben auf dem Dachboden und konnten - wenn die Häuser mit der Traufseite zur Gasse standen - bei Polizeikontrollen wie die Hasen quer über die Böden der Nachbarhäuser flüchten (Beine machen).

Im Mittelalter entstanden die Zünfte als selbständige Organisationen und bestimmten die zünftige Ordnung und das gewerbliche Leben in den Städten. Jeder Gewerbetreibende mußte der Zunft beitreten (Zunftzwang). Nur Meister durften ihr Gewerbe selbständig ausüben. Insbesondere seit der Neuzeit wurde der Meisterzwang als Konkurrenzschutz gebraucht. Die Anforderungen an die Meisteranwärter wuchsen ins Unermeßliche. Wanderjahre, Mutjahre, hohe Einschreibegebühren, sowie hohe Ausgaben wie Meistertrunk hinderten viele Handwerker an der Aufnahmein die Zunft. Ein großer Teil der Menschen war von vornherein ausgeschlossen, weil sie nach den Regeln der Zunft als "unehelich" oder "unehrlich" galten.

Die "Böhnhasen" waren eine besonders beäugte Spezies von Handwerkern, die eigentlich erst aus den strengen Bräuchen der Handwerkszünfte heraus entstanden waren. Einen Handwerksbetrieb konnte, wie heute auch, nur ein anerkannter Meister führen und Nachwuchs heranbilden. Die Anzahl der Meisterbetriebe waren für jede Zunft festgelegt, z.B. 40 Schuhmacher, 60 Bäcker usw., und wurde gemäß einer steigenden oder auch fallenden Bevölkerungszahl gelegentlich angepasst. Mit dieser famosen Regelung sorgten die Zünfte dafür, daß Auftragslage und die Zahl herstellender Betriebe ein Gleichgewicht bildeten. Innerhalb der Handwerkszirkel wurden zudem die Preise zumindest für Alltagsware "koordiniert". Ein geradezu traumhafter Zustand - das Handwerk hatte wahrhaftig noch goldenen Boden!Was macht aber der Zunftnachwuchs, die Gesellen, die nach einigen Lehrjahren die Meisterprüfung mit Erfolg ablegten?

Wollten sie sich selbständig machen, mußten sie weiterhin eine nicht absehbare Zeit bei ihrem alten Meister als Geselle weiter arbeiten und auf die Vergabe einer frei werdenden Meisterstelle (und auch noch deren Zuteilung!) warten; oder -welch glücklicher Zufall- der alternde Meister verstarb und man heiratete den verwaisten Betrieb, äh will sagen, das verbliebene Ehegesponst des Verblichenen samt Lizenz. Ansonsten hieß es die Stadt verlassen und anderswo sein Glück suchen....

Böhnhasen, Bühnhasen, Pfuscher, Störer etc. L. Ambulatores, Clancularii, Lepores domestici, Turbatores, Umbratiles, werden unter den Handwerksleuten diejenigen genennet, welche nicht ordentlich Meister geworden, und doch das Handwerk heimlich treiben, die Arbeit wohlfeiler machen, und dadurch den rechten Meistern, welche bürgerliche Lasten tragen müssen, Schaden zufügen.

Man nennet sie Störer, weil sie die gemeine Handwerks-Ordnung stören; Pfuscher, weil sie heimlich arbeiten; Böhnhasen, weil sie sich gemeiniglich mit ihrer Arbeit auf den Boden des Hauses, oder in Niederdeutscher Sprache, auf dem Böhn, oder der Bühne, verstecken, und von den rechten Amtsmeistern aus einem Winkel in den andern gejaget werden. (aus einem Begriffslexikon von 1773)