Bericht des Landesamts für Denkmalschutz über das Herrenhaus Rondeshagen
 

Bericht über neue Ergebnisse der Bauforschung des Landesamtes für
Denkmalpflege 1991-1994
(Nordelbingen Bd. 64.1995, S. 179-223) von Heiko K.L. Schulze

 
 

Herrenhaus Rondeshagen
Gut Rondeshagen (Kreis Herzogtum Lauenburg) besteht seit dem 14. Jahrhundert. Mit dem Tod Hermann von Wickedes 1501 gelangte das Gut an dessen Schwiegersohn Marcus von Tode, in dessen Familie es bis 1789 blieb. In die Zeit dieses Familienbesitzes fällt der Bau des jetzigen Herrenhauses. Danach wechselten die Besitzer recht häufig, war das Haus in Mietwohnungen aufgeteilt, zuletzt in den Seitenflügeln recht ruppig ausgebaut mit Garagen und Schwimmbad. Die jüngst angelaufenen Sanierungen ermöglichten einige Beobachtungen und die dendrochronologische Untersuchung des Dachstuhls und der Deckenbalken.

Die Bauzeit des Herrenhauses war bisher unbekannt, das Gutsarchiv durch Plünderungen 1813/14 vernichtet. Die Fachwerkkonstruktion ließ an eine Entstehung noch im 17. Jahrhundert denken. Die gelegentlich geäußerten Vermutungen, das Haus sei 1626 erbaut und ruhe auf einem Keller des 12. Jahrhunderts sind pure Phantasie.

Die heute sich in einem kleinen Hof öffnende Dreiflügelanlage ist in zwei Abschnitten entstanden. Die beiden niedrigeren Seitenflügel mit flachen Walmdächern und mit zum eingeschossigen Haupthaus versetzten, zwei relativ niedrigen Geschossen, die nicht unterkellert sind, wurden vermutlich erst mit Umbauten des Haupthauses im späten 18. Jahrhundert (um 1800) angefügt, einem Zeitpunkt, als auch eine kleine Dachlaterne aufgesetzt wurde.

Das ehemalige Herrenhaus selbst ist ein breit gelagerter einstöckiger, unterkellerter Fachwerkbau von sieben Fach Tiefe und 19 Fach (*1) Länge über mehrschichtigem Granitquadersockel, wobei die mittleren fünf Fach auf der Garten und Hofseite jeweils durch einen um einen Stock erhöhten Dreieckgiebel risalitartig betont werden. Seitlich des betonten Mittelteils sitzen symmetrisch je drei hohe Fenster, deren Brüstungs- und Sturzriegel sich in ihrer Höhe nicht an den Querriegeln orientieren.

Die Hofseite des Fachwerkbaus wurde spätestens mit dem Anbau der Seitenflügel verändert. Im nördlichen und im Eingangsbereich wurde das Fachwerk vollständig entfernt, lediglich das Rähm als Auflager für die Deckenbalken blieb erhalten. Im südlichen Teil der hofseitigen Westwand haben sich die Wandständer in Bereich des Anschlusses des neuen Seitenflügels erhalten. Eine ursprüngliche Befensterung konnte hier nicht nachgewiesen werden, so daß eine Rekonstruktion der Befensterung der hofseitigen Fachwerkkonstruktion des Hauses nicht möglich ist.

Die dendrochronologischen (*2)Untersuchungen im Dachstuhl und in den Deckenbalkenüber dem Hauptgeschoß des Haupthauses ergaben ein Fällungsdatum der Eichen im Winter 1713/14, so daß mit der Vollendung des Hauses spätestens 1715 gerechnet werden muß. Aus dieser Zeit ist an Dekorationen im Inneren nichts mehr erhalten, die Stuckierungen stammen aus der Zeit um 1800, einer Zeit, in der die raschen Besitzerwechsel keine Zuordnung zu einem bestimmten Bauherrn zulassen.

Die Raumaufteilung ist klar gegliedert, wobei wie bei den meisten älteren, von späteren Umbauten betroffenen Bauten die Lage der ursprünglich hier wohl bescheidenene Treppe oder Stiege ins Dachgeschoß nicht mehr festzustellen ist. Mittig, entsprechend der Querbetonung des Hauses durch die beiden Giebel auf Hof- und Gartenseite, liegt ein langgestrecktes, reich stuckiertes Vestibül (*3) - oder Diele - aus zwei Raumkompartimenten, in der Mitte durch einen Korbbogen (*3a) miteinander verbunden, das gleichzeitig die Funktion eines Durchganges zum Garten und somit die eines Gartensaal besitzt. Rechts und links befinden sich je vier Räume um eine zentrale Kaminanlage, wobei die dem Vestibül zugeordneten, querrechteckigen Räume etwas größer sind als die außenliegenden, heute im Süden etwas verändert.

Eine Enfilade (*4) aus doppelflügeligen Türen verbindet die gartenseitig liegenden Räume. Die Situation im Keller entspricht der des Erdgeschosses. Der südliche Kellerbereich mit seinen ehemaligen Küchenbereichen ist heute flachgedeckt, während der nördliche Teil sehr flache Tonnengewölbe und der mittlere Bereich ein mit Stichkappen (*5) durchdrungenes flaches Tonnengewölbe aus der Erbauungszeit besitzen.

Nicht ganz eindeutig sind die Befunde an den die Eingangstür flankierenden, vermauerten Blindfenster. Die noch im Mauerwerk steckenden Zargenreste belegen eine Funktion als ehemals zu öffnende Fenster, will man nicht die Vortäuschung von Fenstern so exakt betrieben haben, daß sogar echte Zargen, Rahmen und Verglasung eingebaut wurden. Auf die Fensterachsen laufen die seitlichen Vestibülwände zu, die wegen der identischen Kellereinteilung keine spätere Veränderung sein können. Erklären läßt sich der Befund nur, wenn man in der Wandachse direkt an der
Hofwand befindliche, große Türöffnungen annimmt, deren Sturz jeweils mit den Fensterstürzen verbunden war, so daß die Fenster in den Öffnungslaibungen das Vestibül und die beiden anschließenden Räume gleichermaßen belichteten.

 
 
 
 
Erläuterungen
 
 
*1 = Ein Gefach (Fachen) ist Teil einer Wand eines Fachwerkhauses und bezeichnet den Raum zwischen den Holzbalken. Im ausgefüllten Zustand wird das Gefach, beziehungsweise sein Inhalt, auch als Ausfachung bezeichnet
Rechter Schlossflügel mit den Fachen
b
 
 
*2 = Die Dendrochronologie ermöglicht  die Altersbestimmung von Gegenständen oder Bauwerken anhand der Jahresringstruktur des verwendeten Holzes. Grundlage ist die  Beobachtung, daß die jährliche Zunahme des Dickenwachstums der Bäume  (Jahresringe) in erster Linie von den klimatischen Verhältnissen abhängt und  damit innerhalb der einzelnen Baumarten eines Gebietes ähnlich erfolgt
Jahresringe zur Altersbestimmung (15 Jahre)
 
 
*3 = Als Vestibül (v. lat.: vestibulum = Vorhof, Vorhalle) bezeichnet man in der Architektur der Neuzeit eine repräsentative Eingangshalle
Vestibül des Herrenhaus mit Korbbogen (3a) in der Mitte
c
 
     
 
*4 = Die Enfilade oder auch Raumflucht ist ein barockes Architekturmittel. Sie besteht aus einer Aneinanderreihung von Räumen, wobei die Türöffnungen exakt gegenüber liegen. Dies hat zur Folge, dass man bei geöffneten Türen vom ersten Raum bis zur Wand des letzten Raums beziehungsweise durch das Fenster dort blicken kann.
ein Enfilade-Beispiel
 
 
 
 
* 5 = Der Begriff „Stichkappe“ taucht in Verbindung mit Gewölbekonstruktionen auf. Dabei handelt es sich um kleines Tonnengewölbe, welches in der Regel rechtwinklig (seltener schräg) zu einem Hauptgewölbe verläuft und in dieses Hauptgewölbe einbindet, die Stichkappe verschneidet sich mit dem Hauptgewölbe.
Beispiel einer Stichkappe
 
     
 
 
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