Die Gemeinde Rondeshagen
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Blattern/Pocken-Epidemie in Rondeshagen 1809
und in Kastorf 1771

Aus einem Bericht des Pastors Haefner in Berkenthin aus dem Jahr 1809 erfahren wir, dass es in Rondeshagen und Umgebung (Klempau) mehrere tödlich verlaufene Fällen von Blattern (Pocken) unter Kindern gegeben hat. Hier wird auch schon angemerkt, dass man sich hätte dagegen wehren können durch Impfung mit "Schutzpocken " (s.u.)

   
   
 
Impfscheine von 1841 und 1847 - Schutzimpfung mit Kuhpocken - gegen Blattern/Pocken
 

Anmerkung : Blattern auch Pocken genannt, waren/sind eine gefährliche Infektionskrankheit, die von Viren verursacht wird. "Impfung" war möglich : auch "Inokulation", "Einpfropfung der Pocken" oder "Schutzblattern" genannt. Sonst wird Körper völlig mit eiternden, kleinen Beulen übersät, die aufplatzen und dann vernarben (Blatternnarben)

   
 
Pocken im Gesicht
 

Die Schutzpockenimpfung wurde 1796 von Jenner entdeckt und wurde imit tierischem Material (welches von Kühen stammte, die an den Eutern an Kuhpocken leiden konnten) durchgeführt und verlief im Gegensatz zur älteren Methoden (Nutzen von menschlichen Blattererregern) in der Regel sehr mild

In Europa war das 18. Jahrhundert seuchengeschichtlich gesehen das Zeitalter der Pocken. Jedes neunte Kind starb an einer Pockenerkrankung, bevor es zehn Jahre alt war. Kinder wurden zu jener Zeit erst zur Familie gezählt, nachdem sie eine Pockeninfektion überlebt hatten. Insbesondere die großen Städte wurden von den Pocken heimgesucht: In Paris starben allein im Jahr 1713 mehr als 20.000 Menschen, in Deutschland tötete das Virus beispielsweise zwischen 1794 und 1796 über 200.000 Menschen. Dabei machten die Pocken nicht vor Standesschranken halt: es traf Reiche und Arme, Adelige und Bauern. Beethoven überlebte die Pocken, ebenso wie Haydn, Mozart und die österreichische Kaiserin Maria Theresia. Zu deren Genesung wurde sogar eine Gedenkmedaille geprägt. Porträts dieser Persönlichkeiten zeigen allerdings in der Regel keine pockennarbigen Gesichter - die Maler hatten schlicht den Auftrag, diese "Schönheitsfehler" nicht abzubilden

Quelle:

An
Königl. Churfürstl. Consistorium unterthänigster Bericht die Blattern Epedemie betreffend / von dem Prediger H. Johann Matthäus Häfner, Berkenthien den 25. May 1809

Durch die mir gemachte Anzeige von dem Ableben zweyer Kinder aus Rondeshagen und eines aus Clempau bin ich in Erfahrung gekommen, daß in diesen Dorfschaften die Blattern Epedemie grassire. Um dem 1805, den 28. Febr. ergangenen höchsten Befehl treulichst nachzuleben, erachte ich es für Schuldigkeit, solches Ew. p.p. unterthänigst bekannt zu machen.

Zugleich versichere ich, daß ich bey mehreren Gelegenheiten die Aeltern der hiesigen Gemeinde aufgefordert habe, ihren Kindern die Schutzpocken inoculiren zu lassen; allein nicht alle haben Folge geleistet.
Berkenthien den 25. May 1809
H a e f n e r

Folgende Blattern-Todesfälle sind aus dem Kirchenbuch ersichtlich:
aus Rondeshagen:

1. Möller, Cath. Marg. Elisabeth, Tochter des Käthners Joh. Hinrich Möller und Cath. Elisabeth M. geb. Wulf, + 06.05.1809     3 Jahre 3 Monate alt

2. Möller, Magdalena Engel, Tochter d. Käthners Joh. Hinrich Möller und Cath. Elisabeth M. geb. Wulf, + 24.05.1809   1 Jahr 3 Monate. alt

3. Helm, Cath. Elisabeth, Tochter d. Arbeitsmannes Johann Helm und Marie Elisabeth H. geb. Stark
+ 31.05.1809   1 Jahr 4 Monate alt

4. Sager, Maria Elisabeth, T.d. Käthner Johann Heinr. Sager u. Maria Magd. S. geb. Wulf
+ 09.06.1809   1 Jahr 2 Monate alt

in Klempau:

Busch, Engel Elisabeth, Tochter d. Halbhufners Jochim Asmus Busch und Marg. Elisabeth B. geb. Dohrendorf
+ 20.05.1809    2 Jahre

 

   

 

Auszug aus der Website "Kastorfer Geschichte" (Guido Weinberger) über den Pockentod des Kastorfer Gutsbesitzers Hans Christian von Hammerstein von 1771

Originalseite : http://www.kastorfer-geschichte.de/12.html

"Niederschrift von Caroline von Hammerstein geb. von Schrader über den Tod ihres Mannes Hans Christian von Hammerstein.
Beschreibung der traurigen Blattern-Krankheit (Pocken) meines lieben Mannes und meiner lieben Kinder im Frühjahr 1771.

Castorf, 1771. Ende May geschrieben.

Den 6. April kamen die erwarteten Freunde (Familie von der Knesebeck, Frl. Fieken, deren Tochter Sophie) von Gresse hier.
Den 10. Den Mittewochen fieng Frl. Fieken an zu klagen.
Den 13. schlugen die Blattern bey ihr aus.
Den 20. wurden erst Nörchen (Eleonore), hernach Ottgen (Otto) krank.
Den 1. May schlugen bey beyden die Blattern stark aus, mein Mann gieng zu Fuß nach Rondeshagen.
Den 2. May fieng Detgen (Detlef) an wenig krank zu seyn, mein lieber Mann war noch den Vormittag nach Köldnitz, den nachmittag bekam er einen fieberhaften Frost, schlief die Nacht wenig und nahm Medicin so der Doct. Trendelburg in Vorrath geschickt ein, wonach er sich ein wenig übergab.
Den 3. May, war er etwas doch leidlich krank, hatte keinen Appetit, etwas Hitze und Unruhe, rasirte sich jdoch noch selbst, und war den Nachmittag gantz munter, an diesen Tag bekam Detgen einige Blattern-Flecke, und Christian schien Hitze zu haben.
Den 4. May, war mein bester Mann kränker, doch wie er sagte leidlich, außer daß er außerordentlich matt war, als ob er lange krank gewesen wäre, fantasirte hin und wieder, und blutete aus der Nase. Am Abend kam der Doctor Trendelburg, der unschlüßig war, ob es Blattern oder ein faul Fieber werden würde. Doch 2 Stunden nach seiner Ankunft, etwa gegen 11 1/2 Uhr Nacht, zeigten sich für den Kopf unter die Mütze Flecken. Die Nacht vergieng erträglich, und auch diese Nacht schlugen Cristel (Christian, der Großvater) die Blattern so glücklich als möglich aus, und Detgen, der nur 12 im Gesicht und sonst wenig hatte, blieb immer im umher Gehen. Der kleine Plato bekam auch den 4. die Blattern. den 5. May rieth der Doctor, alle Kranke sollten in die Luft gehen,die Art der Blattern zu verbessern, mein lieber Mann ward ohnmächtig wie er aufstand, erholte sich doch bald, ließ sich rasiren und war den gantzen Tag mit allen seinen kranken Kindern viel draußen, den Nachmittag schrieb er mit eigener Hand, ohne es mir sagen zu wollen, eine Disposition zu meinem Vortheil, die seine Zärtlichkeit für mich ihn machen hieß.
An diesem Tag schlugen auch Friedgen (Friederike) die Blattern aus, welche sie glücklich überstand.

Den 6. May waren sie bey meinem besten Mann fast alle ausgeschlagen, er war wol, hatte etwas Apetit, gieng umher.
Den 7.  und 8. ebenfalls, außer daß er etwas Heisrigkeit und halsweh, auch zumahl den 9. eine außerordentliche Salivation und einen Diarhée bekam. welches ihn abmattete, doch war er noch immer so bey Kräften, daß er täglich ausfuhr, allein gieng und fast den gantzen Tag auf war. Allein die Blattern wollten nicht schwären, waren, da er unbeschreiblich viel hatte, in einander geflossen, und gar im Gesicht nicht erhaben, auf den Füßen aber Theils blau, auf den Händen wie kleine Wasserblasen, während dieser zeit wurden die beiden ältesten Kinder sehr krank, welche gantz unglaublich voll Blattern waren und da zumahl am Freitag den 10. Ottgen heftig krank war, immer schlummerte, kurtzen Othem und eine sehr volle Brust hatte, ward der Doctor wieder gehohlt. Er fand die Art der Blattern bey meinem Mann schlecht, hoffte jedoch, seine gute Constitution würde sie überstehen helfen. Ottgen war ein klein wenig besser, allein er bemerkte mehr Gefahr bei Nörchen, welche doch schon auf der Rückkehr zu seyn schien, und schon mit Blumen auf dem Bett gespielt hatte, auch dieses Urtheil war sehr richtig, da dies Kind den 11. eine Art von innerlichen Schwärden bekam, wovon sie sich zwar wieder erholte, jedoch etwa 3 Stunden hernach um 5 Uhr abends aus dem Bett gieng, vermuthlich da der unglaubliche Schleim in der Brust und im Halse fest ward. Sie war 4 Jahr und 1 Monat alt. Ein Kind, welches außerordentlich viel Verstand, und eine ihrer Jugend wenig gewöhnliche Sittsamkeit und Standhaftigkeit hatte, und welches sich bey ihrer schmertzhaften Krankheit bewundernswerth geduldig bewiesen; doch dieser Verlust war nur der Anfang, die Vorbereitung zu meinen größten Leiden, und mein Hertz sagte es mir bey dem Todes des Kindes, daß noch größere Unglücksfälle mich kränken würden. Auch von diesen Tage an ward mein lieber Mann übler, er war noch ausgefahren gewesen, allein die Nacht bekam er um 1 uhr einen Frost und da der Doctor gesagt, so bald das Fieber einträte, welches man das Abtrocknungsfieber nenete, möchte man ihn holen laßen, so schickte ich den 12. Sonntag hin, an diesen tag war mein lieber Mann unruhiger, die Blattern im Gesicht waren mehrentheils schwartz, die Salivation nahm sehr ab, der Diarhée continuirte, das Halsweh ließ nach, und er schlummerte mehr. H. u. fr. von Toden waren hier und schienen mir schon sehr besorgt zu seyn. Um 9 uhr kam der Doctor, er erklärte gleich das Fieber sey zu früh gekommen, und komme ihm sehr zweydeutig vor, wie er ihn sahe erschrak er, da die Blattern im Gesicht schwartz und trocken waren, die auf den Händen weiß, die an den Beinen und Füßen blau und roth, und gar nicht geschworen. Er erklärte mir, wie ich ihn mit Thränen bat zu helfen, die Art der Blattern sey sehr schlecht, er wüßte jedoch Exemple, daß welche davon gekommen wären, und hoffte viel von seinen Naturkräften, er hätte Campfer Mixtur und bat sehr ihn zu bereden, daß er solche fleißig einnehme. Dies that er auch, wenn Du, sprach er zu mir, es mir nur preparirst dann nehme ich es gern, diese Medicin war ihm etwas zuwieder und wenn er sie einnahm, mußte ihm sein Bedienter und ich den Rücken immer gantz fest halten. Er wolte gern ich solte die Nacht bey ihm bleiben, aber ich mag es Dir nicht an Sinne seyn sprach er, wie gerne that ich es. Ich mußte mich an der Seite auf seinem Bette legen damit es mich nicht zu viel fatigirte da ich erst die vergangene Nacht bey ihm gewacht hatte, so sorgsam, so liebreich war er noch gegen mich. er schlief wenig, doch war er ziemlich ruhig. Der Docter fand ihm den Morgen nichts besser.

Den 13. gegen 8 uhr bekam er Beängstigungen und hertzklopfen, und der Docter hatte den übrigen erklärt wie er wenig Hoffnung hätte, auch heftige Zufälle zu befürchen wären, deswegen wolte man mich nicht immer da laßen, doch gien ich so oft als möglich zu ihm, ich kannte mich genug um zu wissen, daß ich es aushalten konte und ich standhafter bei seinen Bette, als von ihm entfernt war, doch ihn zu schonen wolte man es nicht. Er war auch denselben Morgen noch in seiner Stube gewesen, wo ich ihn allein hingeführt hate. Die Beängstigungen waren abwechselnd, er fantasirte dann und wann jedoch nicht ängstlich, das Fieber ward stärker. Wenn er mich nannte ward ich gerufen, doch wie ich den Nachmittag kam, wie klopfte ihm das Hertz, wie seufzte er, und gab mir die Hand. Man bat mich ihn nicht zu beunruhigen, ich verließ ihn aus Liebe für ihn, nicht um meine Empfindlichkeit zu schonen. Gegen Abend kam meine Mutter mit den Ratzeb. Dokt. Lenthien, hierzu schien er sich zu freuen; was sagen sie von diesen Zustand meine liebe Frau Mutter, waren seine ersten Worte gewesen, und hatte ihr so krank er war die Hand küssen wollen. Der Doct. Lenth. hatte ihm Umschläge vom Campfer und Mandelöhl verordnet um Hände und Füße, auch Spanische Fliegen (Cantharides) und Lavemens, er gebrauchte alles. Um 7 Uhr hatte er mich genannt, ich eilte zu ihm, da fand ich ihn gesetzter, da sprach er gleichgültiger mit mir, sagte noch, wie er hörte daß ich ihn beklagte: Glaubst du daß ich so krank bin? ich bin ganz leidlich, und das Hertzklopfen hält nicht lange an. Wolte den Abend auch etwas essen so ihm ziemlich schmeckte, doch fantasirte er hin und wieder. Fr. v. Toden die den Morgen schon gekommen war und ihn nicht verließ, wachte bey ihm diese Nacht, um 2 Uhr ward er mehr beängstigt, dies dauerte abwechselnd, den Morgen kam der Prediger (Johann Gottfried Ladewig) , und wie man ihn gefragt ob er communiciren wolle, hatte er es mit größter Ruhe des Geistes gethan, auch gesagt wo ich wäre? Man hatte ihn  aber gebeten, um sich nicht aus seiner Ruhe zu bringen, mich nicht kommen zu laßen, wovon ich nicht zufrieden bin, gleich hernach rief man mich. Bist du da Lienchen sprach er, weißt du was ich vorgenommen habe? du aprobirst es doch? Ich beantwortete dies so standhaft wie ich konnte. Hierauf sprach er gleichgültiger. Frug ob ich Briefe von unseren guten freunden Knesebecks hätte. Sind sie noch in Strelitz frug er, und schien ganz gesetzt. Den Mittag aß er ein wenig Suppe, ich schlug vor ihm ein wenig Rheinwein zu geben, es ward ihm elaubt, und es schmeckte ihm so gut, daß er noch ein wenig begehrte, er bekam noch eine halbe Tasse, war ziemlich ruhig, dies war etwa gegen 3 uhr, um 1/2 4 uhr hat er im Bett geseßen, ist gantz ruhig gewesen, und sein mir ewig theures Leben geendigt, indem er sich in den Arm seines Bedienten zurückgelegt. Welch eine Erinnerung für mich, die ich in seinen Umgang, Ruhe, Glück und Freude so sehr genoß, die ich bey seinen eben seit den 10. May 30 jährigen Alter und dauerhafte Gesundheit mich mehr als zu fest geschmeichelt hatte ihm nicht zu überleben; und doch riß ihn die hand des Todes von meiner Seite, doch mußte flehen, beten und weinen umsonst seyn, und mit ihm auch die Hofnung einer ruhigen Zufriedenheit für mich auf Erden verschwinden. Keine Unruhe, keine ängstliche Furcht machten ihm den Tod schrecklich, da nach allen Umständen seines Lebens ihm die Welt ohnmöglich gleichgültig seyn konte. Seine standhafte Ergebung in den Willen Gottes beruhigte ihn, seine Überzeugung von der Gnade Gottes, den er gewiß nie vorsätzlich beleidigt hatte, ließ ihn ohne Schrecken in die Ewigkeit schauen, und sein Vertrauen zu der Gnade des Höchsten, seine Liebe zu diesen höchsten wesen, die nach seinen öftern Bekänntniß das vornehmste Stück der Religion war, gaben ihm allein allein die wundervolle Kraft bey der Vorstellung mich zu verlaßen, nicht alles zu fühlen was die menschliche Empfindung seinen sonst so zärtlichen Hertzen würde eingeflößt haben. Kein ungeduldig Wort in allen 13 Tagen seiner schwerzhaften Krankheit von ihm gehört, welches um so viel mehr zu bewundern ist, da er niemals krank gewesen war. ..."

Wie man aus vorangegangenem schließen kann, bestanden sehr enge freundschafliche Bande zu Christian Friedrich von Thode († 1785), Gutsherr auf Rondeshagen  und seiner Frau Eleonore Hedwig Esther geborene von Zastrow († 1788). Die Ehe der Thodes blieb kinderlos und das erklärt vielelicht auch die innige Anteilnahme, so dass man  glauben mag, dass man Christian von Hammerstein fast als einen Sohn betrachtete. Christian von Thode unterstützte die Wittwe Hammerstein bei der Verwaltung des Gutes bis zu seinem Tod, davon zeugen diverse Akten.

 

Grafik über die Gefährlichkeit von Blattern/Pockenerkrankungen um 1800